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Kursänderung der EU-Agrarpolitik?

Die Auswirkungen der Landwirtschaft auf Umwelt und Klima sind beträchtlich. Innerhalb der Europäischen Union ist die Landwirtschaft nach dem Energiesektor (inkl. Transportwesen) und noch vor den industriellen Prozessen der zweitgrößte Treibhausgasemittent und verbraucht übermäßige Mengen an natürlichen Ressourcen.

Im Dezember 2019 stellte die EU-Kommissionspräsidentin den European Green Deal (EGD) vor. Es ist sehr zu begrüßen, dass die Landwirtschaft in diesem, im Rahmen der „Farm to Fork“-Strategie, einen bedeutenden Platz einnimmt.

Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU

Bisher bestimmte die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) den landwirtschaftlichen Kurs der EU. Sie stellt mit rund 40 % den zweitgrößten Posten im Haushalt der EU.

Die EU-Mitgliedstaaten verhandeln derzeit den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021-2027. Entwürfen zu Folge stehen der Landwirtschaft dabei erhebliche Kürzungen bevor: So macht der der Landwirtschaft gewidmete Haushalt zwar auch in Zukunft mit 28,5 % einen beachtlichen Teil des zukünftigen Gesamthaushalts aus – das sind jedoch 15 % weniger als im vergangen MFR für die Jahre 2014-2020. Die Kürzungen sind neben dem Austritt des Vereinigten Königreichs als Nettozahler, auch der Prioritätenverschiebung des Finanzierungsbedarfs der EU – Migration, Außengrenzen, digitale Wirtschaft, Verkehr etc. rücken zunehmend in den Vordergrund – geschuldet.

Eine kurze Einführung in die GAP

Ursprünglich unterstützte die GAP LandwirtInnen über Preisgarantien – heute beruht sie auf zwei „Säulen“: Die erste betrifft Direktzahlungen an LandwirtInnen und eine gemeinsame Marktordnung für einzelne Agrarerzeugnisse. Seit 1999 wird die erste Säule durch eine zweite – die „Entwicklung des ländlichen Raumes“ – ergänzt, die vielfältige Maßnahmen im Bereich ländliche Entwicklung, Umwelt- und Klimaschutz beinhaltet.

Die Mittelvergabe in die beiden Säulen ist dabei nicht ident. Etwa 80 % der gesamten Agrarförderung fließt in die erste Säule, während auf die zweite etwa 20 % entfallen. Von den hohen Summen die in die erste Säule fließen profitieren wiederum vor allem Großbetriebe. Beispielsweise gingen in Deutschland im Zeitraum zwischen 2014 und 2020 dreiviertel der Direktzahlungen an 1,7 % der Betriebe.

Zu behaupten, dem Umweltschutz zuträgliche Maßnahmen wären nur in der zweiten Säule enthalten, ist jedoch falsch. Programme der ersten Säule, wie beispielsweise höhere Prämien für flächenarme Betriebe, und gekoppelte Prämien für bestimmte Produkte, werden aus der Perspektive des Umwelt- und Naturschutzes durchaus als sinnvoll erachtet.

GAP Reformen: Dem Umweltschutz zuträglich?

Die positiven Effekte der im Jahr 2015 eingeführten Ökologisierung der Direktzahlung der ersten Säule, auch als „Greening“ bezeichnet, werden angezweifelt. Dem zufolge erhalten LandwirtInnen 30 % ihrer Direktzahlungen (die Greening-Prämie) nur dann, wenn sie konkret zusätzliche Umweltleistungen erbringen. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2017 heißt es zum Greening: „Experten sind sich einig, dass das Greening kaum zu einer wesentlichen Steigerung der Bereitstellung von Umweltdienstleistungen durch die Landwirte führen dürfte.”

Die GAP befindet sich also seit jeher im Umbruch. Derzeit wird der Vorschlag eines „Umsetzungsmodells“ diskutiert. Dabei würden die Mitgliedstaaten deutlich mehr Spielraum bei der Gestaltung ihrer „eigenen GAP“ erhalten.

Während KritikerInnen anmerken, die GAP würde so „verstaatlicht“, verweisen BefürworterInnen auf die damit einhergehende Modernisierung und Vereinfachung. Den Mitgliedstaaten soll so Freiraum innerhalb klarer Vorgaben eingeräumt werden. Zielsetzung des Umsetzungsmodells muss dabei sein, dass sich die nationalen Pläne der Mitgliedstaaten an dem Ziel einer ethischen, nachhaltigen und klimaneutralen Landwirtschaft orientieren.

ExpertInnen für Agrarpolitik kritisieren, dass die Mitgliedstaaten im Vorschlag der Kommission lediglich dazu verpflichtet werden, darüber zu berichten, wie viel sie im Rahmen bestimmter Initiativen investieren und wie viele LandwirtInnen sich für die Programme anmelden, nicht aber über die tatsächlich erbrachten Umweltleistungen. Sie befürchten daher, dass durch die Flexibilisierung ein „Wettlauf nach unten“ entsteht.

Außerdem unterzeichneten jüngst 3.600 WissenschaftlerInnen ein gemeinsames Schreiben an die EU-Kommission. In diesem kommen sie zu dem Schluss, dass die derzeitige GAP Politik der biologischen Vielfalt und dem Klima schadet. Sie fügten dem Positionspapier außerdem einen Zehn-Schritte-Plan bei, der es ermöglichen soll, langfristige Ernährungssicherheit zu gewährleisten und die biologische Vielfalt sowie den Klimaschutz betreffen. Die WissenschafterInnen befürchten außerdem, dass die „ohnehin schon ungenügenden“ Umweltauflagen im Weiteren Reformprozess noch weiter eingeschränkt werden könnten.

Viel Kritik – was nun?

Die neuen AmtsträgerInnen des EU-Parlaments begannen im Mai 2019 mit der Überarbeitung der vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI) in der vorangegangenen Wahlperiode angenommenen Änderungen der GAP Reform. Es ist mittlerweile absehbar, dass die Reform der GAP nicht bis Januar 2021 fertiggestellt wird. Der AGRI hat sich deshalb auf eine „Übergangsverordnung“ geeinigt – die dringend benötigte GAP Reform könnte dadurch bis ins Jahr 2023 zurückgestellt werden. Ein Grund für die Verzögerung ist das Versagen der Mitgliedstaaten, sich auf einen langfristigen EU-Haushalt für die Zeit von 2021-2027 zu einigen, ohne dessen Festlegung eine Reform der GAP nicht möglich ist.

Anna-Marie Peter B.A.
studierte in Regensburg Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Philosophie. Seit Dezember 2019 ist sie Teil des Shifting Values-Teams in Wien.

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