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Die „Farm to Fork“-Strategie

Die „Farm to Fork“ (F2F)-Strategie bildet die landwirtschaftliche Strategie des European Green Deals (EGD). Laut der EU-Kommission, soll die F2F dazu beitragen einen „echten Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen“ zu leisten. Die Landwirtschaft steht dabei der gewaltigen Herausforderung gegenüber, trotz wachsender Weltbevölkerung, eine erschwingliche und sichere Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. Laut eines durchgesickerten Entwurfs soll das Vorhaben mittels des Erreichens der folgenden fünf Ziele gelingen.

Die fünf Ziele der Farm to Fork Strategie

1. Reduzierung des Einsatzes und des Risikos von chemisch-synthetischen Pestiziden

Der dabei anvisierte Prozentsatz wurde noch nicht festgelegt. Aber es soll ein “verbindliches Ziel mit einer klaren Rechtsgrundlage” sein. Das macht wiederum eine Überarbeitung der bestehenden EU-Gesetze einschließlich des harmonisierten Risikoindikators, der im Rahmen der Richtlinie zur nachhaltigen Nutzung festgelegt wurde, notwendig. Eine Überarbeitung der derzeitigen Risikoindikatoren erfährt insbesondere durch die Veröffentlichung eines Berichts des Europäischen Rechnungshofes Nachdruck. In diesem heißt es, dass die derzeitigen Risikoindikatoren ungeeignet seien, da sie außer Acht lassen, wie, wo und wann chemische Pestizide eingesetzt werden. 

2. Biologische Landwirtschaft

Eine Ausweitung des ökologischen Landbaus soll „durch eine Mischung von Maßnahmen erreicht werden, einschließlich Möglichkeiten zur Stimulierung der Nachfrage nach ökologischen Produkten“. Dieser Satz bietet quasi eine Definition einer schwammigen Aussage.

Bei aller Schwammigkeit stellen die beiden ersten Ziele im Vergleich zur Gemeinsamen Agrar Politik (GAP) eine beachtliche Verbesserung der ökologischen Landwirtschaft als Praxis dar. Dass für die beiden Ziele noch keine expliziten Zahlen genannt werden, ist wohl den verhärteten Fronten zwischen der Unternehmerlobby und der Zivilgesellschaft geschuldet: Während zivilgesellschaftliche Gruppen eine Reduzierung des Pestizideinsatzes bis 2030 um bis zu 80 % und einen Ausstieg bis 2035 fordern, treten die VertreterInnen der Unternehmensinteressen gegen die Reduzierung bzw. für freiwillige Ziele ein.

3. Die Reduzierung antimikrobieller Produkte in der Nutztierhaltung und in der Aquakultur

Auch hier wird kein genauer Prozentsatz als Zielsetzung genannt. Der Bericht begründet das Ziel mit der zunehmenden Evidenz, dass der Einsatz antimikrobieller Produkte in der Landwirtschaft mit dem Aufkommen resistenter Keime verbunden ist – die wiederum zu einem Risiko für Mensch und Tier werden.

4. Ziel bezüglich mineralischer und organischer Düngemittel

Der Entwurf bietet keine weiteren Informationen zu diesem Ziel.

5. Den Anstieg der Übergewichts- und Adipositasraten in der EU bis 2030 umzukehren

Um die KonsumentInnen in die Lage zu versetzen, sich für nachhaltige und gesunde Lebensmittel entscheiden zu können, plant die Kommission einen Legislativvorschlag zur Harmonisierung der Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite der Verpackung. Neben den genannten fünf Zielen, legt der Entwurf nahe, dass die F2F-Strategie auch einen Fokus auf die Rolle der Tierhaltung bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen setzt. Dabei bringt die EU-Kommission die Option eines eigentlich längst überfälligen Tierwohllabels ins Spiel. Wie notwendig und sinnvoll eine transparente KonsumentInneninformation ist, zeigt das Erfolgsmodell der Schaleneier-Kennzeichnung.

Die Kommission setzt sich außerdem für eine Änderung der Tierschutzgesetzgebung ein – beispielsweise im Bereich der Tiertransporte. Insgesamt soll ein höheres Tierschutzniveau erreicht werden und Tierhaltebedingungen von Arten, die bislang nicht geregelt sind, festlegen. Man darf skeptisch sein, ob es zu signifikanten Verbesserungen der Tierhaltebedingungen in der landwirtschaftlichen Produktion kommt, obgleich diese überfällig wären. 

Fraglich ist auch, in wieweit es zu klaren Regelungen in Bezug auf die Anschaffung von Tierfuttermitteln kommt. Gelten doch der Anbau von zum Beispiel Soja als einer der treibenden Faktoren für den Verlust von Lebensraum, Zerstörung von Wäldern und ist somit ein zu adressierender Faktor in der Klimadiskussion.

Die in dem Dokument bekundete Absicht, dass die Europäische Kommission „zur Erleichterung der Methoden zur Verringerung der Umwelt- und Klimaauswirkungen der Tierproduktion das Angebot innovativer Futtermittelzusatzstoffe erleichtern wird, die zur Verringerung des Kohlenstoff-Fußabdrucks, der Wasser- und Luftverschmutzung und der Methanemission der Tierhaltung beitragen“, sollte Anlass zur Diskussion sein.

Beziehungsstatus GAP und F2F: Es ist kompliziert

Die Kommission ist im Moment damit beschäftigt die F2F- und GAP-Strategiepläne miteinander zu vergleichen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird festgestellt werden, die Pläne stimmen überein, oder eben nicht. Stimmen die Pläne nicht überein, kann im Nachhinein versucht werden die Pläne einander anzugleichen.

Das könnte sich jedoch als recht schwierig entpuppen, im Endeffekt hält die Kommission (mindestens) drei lose Fäden in der Hand: die nicht beschlossene F2F-Strategie, die nicht beschlossene Reform der GAP und den nicht beschlossenen EU-Haushalt.

Eine Abstimmung der F2F-Strategien und der GAP dürfte sehr viel leichter werden, nachdem zumindest die F2F-durch die Mitgliedstaaten beschlossen wurde. Derzeit ist das gesamte Feld extrem fluide.

Nach jetzigem Kenntnisstand ist den Mitgliedstaaten möglich, ihre nationalen GAP-Strategiepläne jährlich zu überarbeiten. In der Folge wird also erwartet, dass sich die nationalen GAP-Strategiepläne ab 2021 an der F2F-Strategie orientieren und die F2F-Strategie daher ab 2021 größere Auswirkungen hat, als in den vor uns liegenden Monaten.

Wann die weiteren F2F-Pläne der Kommission veröffentlicht werden, ist jedoch unklar: Zunächst für Ende März geplant, dann auf Ende April verschoben, sollen die Pläne nun – im Zuge der Corona-Krise – um „einige Wochen“ nach hinten verschoben werden.

Anna-Marie Peter B.A.
studierte in Regensburg Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Philosophie. Seit Dezember 2019 ist sie Teil des Shifting Values-Teams in Wien.

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