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Illegaler Tierhandel: Aus der Wildnis gestohlen

© Milivoje Krvavac

Die CITES-Weltartenschutzkonferenz und die Rolle der EU

Im Mai 2019 schockierte der Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES die Welt: Eine Million Arten könnten in den kommenden Jahrzehnten von der Erde verschwinden. Die Ausbeutung von Wildbeständen ist als eine der fünf Hauptursachen des großen Artensterbens klar benannt. Bei solch eindringlichen Warnungen ist es kaum zu glauben, dass es immer noch einen Riesen-Kraftakt bedeutet, das Handelsverbot für Elfenbein und Rhino-Horn aufrechtzuerhalten. Auch werden noch immer zahllose Tiere hunderter, wenn nicht gar tausender bedrohter, dennoch international noch immer ungeschützter Reptilien-, Amphibien- und Fischarten völlig unkontrolliert aus der Wildnis genommen.

Vom 17. bis 28. August 2019 kommen mehrere tausend Experten und Interessensvertreter in Genf zusammen, um miteinander zu streiten, welche Wildtiere und Pflanzen international stärker geschützt werden. Die Weltartenschutzkonferenz (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, kurz CITES) findet nur alle drei Jahre statt und ist die wichtigste Veranstaltung, wenn es um den Handel mit bedrohten Arten geht. Ein Blick auf die Teilnehmerliste zeigt schnell, dass die Konferenz kein gemütliches Treffen unter Freunden ist, sondern ein knallharter Kampf zwischen Kommerz und Schutz: Elfenbein- und Nashornhändler, Trophäenjäger, die Reptilleder-Industrie und die Tierhändler stehen auf der einen Seite, unterstützt von Regierungen wie Südafrika oder Botswana sowie einer finanzkräftigen Industrie, die sich weiter ihren Reibach mit bedrohten Wildtieren und Pflanzen sichern will. Ihnen gegenüber stehen Tier- und Artenschutzverbände sowie einige Länder, die alles daran setzen, den Handel mit bedrohten Tieren zu stoppen. Ein ungleicher Kampf, bei dem die Europäische Union eine sehr ambivalente Rolle einnimmt:

Einerseits hat die EU 2016 ihren „Wildlife Action Plan“ verabschiedet, der den illegalen und nicht naturverträglichen Handel mit Wildtieren und -Pflanzen bekämpfen soll. Auch ist die EU vergleichsweise aktiv, wenn es darum geht, für die CITES-Konferenzen Schutzanträge für bedrohte Arten auszuarbeiten, diplomatisch zu begleiten und letztlich erfolgreich durchzusetzen. Bei der CITES-Konferenz 2016 war die EU Haupt- oder Mitantragsteller von 14 Schutzanträgen, darunter für Berberaffe, Graupapagei, Fuchshaie sowie zahlreiche Echsen. Auch für die kommende 18. CITES-Konferenz liegen zwölf Schutzanträge als Initiativen der EU auf dem Tisch. Neben diversen Rochen, Seegurken und einem Schmetterling gibt es erneut wieder fünf Anträge für Arten, die als exotische Haustiere gehandelt werden.

Diese aktuelle Bereitschaft der EU, sich für so viele Reptilien- und Amphibien-Arten einzusetzen, kommt nicht von ungefähr. Die EU ist einer der größten Absatzmärkte, auch und vor allem für exotische Haustiere. Mit Ausnahme ihres Engagements bei CITES zeigt die EU derzeit jedoch leider wenig Bereitschaft, den zügellosen Plünderungen von Wildbeständen weltweit grundsätzlichen Einhalt zu gebieten. In der Europäischen Union ist sogar der Handel mit solchen Tieren noch immer erlaubt, die in ihrem Heimatland streng geschützt sind, dort illegal eingefangen und außer Landes geschmuggelt wurden. Hier in Europa werden solche lebenden Raritäten dann zu Höchstpreisen verkauft: Sammler zahlen bis zu 5.000 Euro pro Tier – in dem Wissen, dass es nicht aus legalen Quellen stammt, aber die Behörden bei der aktuellen Gesetzeslage in Europa weder gegen den Verkauf noch den Besitz vorgehen können. Auf der weltgrößten Reptilienbörse Terraristika, einer Art Flohmarkt für exotische Haustiere, die viermal jährlich im deutschen Provinzstädtchen Hamm stattfindet, geben einige Händler sogar offen zu, dass das Tier illegal eingefangen wurde. Hier in Deutschland sei es ja nicht illegal – so der lapidare Kommentar.

Pro Wildlife fordert schon seit Jahren ein Gesetz auf EU-Ebene, das zumindest den Handel mit solchen im Heimatland gestohlenen Tieren verbietet. Die USA hat als einziges Land bereits ein solches Gesetz, den „US Lacey Act“. Die EU hingegen sträubt sich bislang und verharmlost die Auswirkungen dieser Form von Wildtierkriminalität auf die Biodiversität – und das, obwohl die EU sowohl als Umschlagplatz als auch Absatzmarkt eine führende Rolle hat und viele der Tierschmuggler zum Beispiel aus Deutschland, Tschechien oder Spanien kommen. Drei Beispiele, die auch auf der kommenden CITES-Konferenz zur Abstimmung stehen, zeigen die unrühmliche Rolle der EU:

© Milivoje Krvavac
    • Der Union-Island-Gecko (Gonatodes daudini), mit einem geschätzten tatsächlichen Verbreitungsgebiet von 0,5 km², ist eine bildhübsch gezeichnete kleine Echse, die erst 2005 überhaupt entdeckt wurde. Die Regierung von St. Vincent & die Grenadinen genehmigt weder den Fang noch den kommerziellen Export dieser akut vom Aussterben bedrohten Art, dennoch tauchen die Tiere immer wieder im internationalen Handel auf. Die meisten Anbieter kommen dabei bemerkenswerterweise aus Deutschland, den Niederlanden und Österreich.
    • Sri Lanka hat CITES-Anträge für insgesamt zehn Echsen-Arten eingereicht, die allesamt nur auf Sri Lanka vorkommen und dort seit Jahrzehnten nicht mehr legal exportiert werden dürfen. Dennoch tauchen diese Tiere seit ein paar Jahren regelmäßig im europäischen Tierhandel auf. Raritäten-Sammler zahlen Preise von bis zu 2.200 Euro pro Paar. Eine von ihnen, die Pethioyagodai-Schönechse (Calotes pethiyagodai), wurde erst 2014 als neue Art beschrieben, auch sie ist bereits im hiesigen Handel und somit eindeutig illegal eingefangen.
    • Im August 2014 fanden wir das Online-Inserat eines deutschen Händlers für eine Reihe ungewöhnlicher Glasfrösche aus Lateinamerika, angeboten für die Terraristika zwei Wochen später. Nur wenige Tage vor der Börse wurde der Geschäftspartner des besagten Händlers am Flughafen in Costa Rica mit 184 Fröschen, 203 Kaulquappen und 51 Reptilien im Gepäck erwischt. Just diese Arten waren zuvor per Internet zum Bestellen inseriert worden, darunter sehr viele Glasfrösche. Einige Monate später inserierte ein Schwede Glasfrösche aus angeblichen Farmen in Costa Rica. Unsere Nachfrage bei den dortigen Behörden ergab, dass es solche Zuchtfarmen nicht gibt. Ausgelöst durch diese beiden Fälle beantragt Costa Rica eine CITES-Unterschutzstellung für 104-Glasfrosch-Arten; wohlwissend, dass nicht alle diese Arten bereits im Handel sind, aber dass ein Zöllner am Flughafen eben auch kaum Glasfrosch X von Glasfrosch Y unterscheiden kann.

Trotz der eindeutigen Verwicklung von EU-Bürgern beim Schmuggel und/oder als skrupellose Käufer dieser Tiere unterstützt die EU in ihren vorab veröffentlichten Positionen nur einen Teil dieser Anträge, einige lehnt sie offiziell ab. Artenschutzverbände wie Pro Wildlife werden deshalb alles daran setzen, um auf der CITES-Konferenz zu erreichen, dass die EU den Schutz all dieser Tiere doch noch unterstützt. Und wir werden auch weiterhin einen EU Lacey Act fordern. Es darf nicht sein, das die EU die Artenschutzbemühungen der Herkunftsländer torpediert und dieses kriminelle Geschäftsmodell europäischer Tierschmuggler duldet.

Zusatzinformation

Die Position der EU für die CITES-Konferenz wird in zwei EU-Artenschutzgremien vorbereitet: der wissenschaftlichen Prüfgruppe („Scientific Review Group“, bestehend aus Vertretern der CITES-Wissenschaftsbehörden der einzelnen EU-Mitgliedstaaten) und dem Ausschuss zum Handel mit Wildtieren und -pflanzen („Committee on Trade in Wild Fauna and Flora“, zusammengesetzt aus den CITES-Management-Behörden der EU-Mitgliedsstaaten). Einen Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Position beraten dann verschiedene Arbeitsgruppen des EU-Rats. Die finale Position wird dann nochmals im EU-Rat bestätigt. Das EU-Parlament ist hierbei nicht eingebunden.

Dr. Sandra Altherr, Diplom-Biologin und Mitbegründerin von Pro Wildlife
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